Gäste aus aller Welt
Anzahl der Gäste
Eine detaillierte Auswertung zur Anzahl der Gäste ist ohne Gästebücher, Meldescheine o.ä. oder bestehende Statistiken kaum machbar.
Hinweise auf einzelne Gäste geben die veröffentlichten, gedruckten Fremdenlisten.1 Die Fremdenlisten sind jedoch schwer auswertbar, da sie in der Regel nur Namen und Herkunftsland2 angeben. Auch die Gästezahlen können nur geschätzt werden, da zahlreiche Namen "mit Familie" oder "und Diener" ergänzt wurden.
Kundengruppen und Dauergäste
Trotzdem hier einige Bemerkungen zu einzelnen Jahren, für die stichprobeweise die Fremdenlisten durchgesehen wurden:
18703 ist die Gästezahl (entsprechend den 28 angegebenen Betten) noch gering. Mehrheitlich stammen sie aus England: Nach dem Besuch der englischen Königin Victoria im Sommer 1868 wurde Luzern besonders bei englischen Gästen beliebt. Auffallend sind einige Langzeitgäste, die sowohl in der ersten Liste vom 11. Juni wie auch in der letzten Liste am 29. September (Saisonende) erscheinen:
- Mr de Sarosynsky (Jaroschinsky) et famille, Russie
- Mme Ferragutti, Italie
- Mlle Cortazzi, Italie
18804 ist die Herkunft der Gäste stärker durchmischt. England macht sicher die Hauptzahl aus, daneben kommen aber auch Gäste aus Amerika und dem östlichen Europa. Als Langzeitgäste von Mai bis September zu erwähnen:
- Mr de Brandt, St. Petersburg
- Mrs und Miss Tasker, England
- Mrs und Miss Edwards, America
- Me la Baronne de Geussau avec fam. et dom., Vienne
In mehreren Listen 5 erscheint Mme la Baronne d'Apor avec ses filles, Budapest. Dies ist erwähnenswert, da Hermann Alexander Pietzcker am 10.1.1881 in Baden bei Wien Margaretha Maria Franziska Johanna Apor de Altorja heiratet.
18906 stammen die Gäste aus England, aber auch zahlreichen weiteren Ländern. Als Langzeitgäste von Mai bis September zu erwähnen:
- Hr v. Brandt, Petersburg
- Baron von Otterstedt, Berlin
- Miss Remond, Rome
- Mrs David Maitland and Miss Maitland and serv., London
- Miss Pillans, London
- Mr Cullum, London
Die Pensionsgäste bildeten eine «select society».7
19008 ist die grosse Anzahl von Gästen auffallend. Wird die Anzahl der Betten der Pension in der Einleitung zum Fremdenblatt9 noch mit 50 angegeben, finden sich auf der Gästeliste über 100 Namen (und diese umfassen in der Regel je 2 oder mehr Personen). Zugenommen hat die Zahl der Gäste aus den USA. Langzeitgäste:
- Frau Manny, Halle
- Mr Michell, England
- Miss Michell, England
- Mr and Mrs Richards with child and maid, England
- Mrs Conrad, USA
1904/0510 gibt es auch in der Wintersaison eine Anzahl Gäste. Langzeitgäste11:
- Frau Manny, Deutschland
- Mr. St. Lee, USA
- Mrs Richardson, USA
- Mrs Fitz Gerald with nurse and child, USA
- Mme la Comtesse et Mlles Palagi, Italie
- Mme la Comtesse et Mlles de Falzacappa, Rome
191012 war das Spitzenjahr des Luzerner Fremdenverkehrs vor dem Ersten Weltkrieg13, auf dem Felsberg logierte eine grosse Anzahl von Gästen mehrheitlich aus den USA - sicher auch dank ansprechender Pressbebeschreibungen:
191514 ist die Gästezahl gering, sie kommen aus den USA, England, Frankreich. Vereinzelt gibt es auch Herkunftsangaben aus der Schweiz, was vorher eher selten war.
1916 finden wir von Frankreich her kommend 2 Priester und mehrere Ordensschwestern, die teilweise über mehrere Jahre hinweg im Pensionsgebäude an der Felsbergstrasse 15 und später im Chalet Reseda blieben.15
191716 gibt es trotz der Angabe "150 Betten" nur wenige Gäste, darunter einige französische Offiziere.
191817 beginnt mit noch weniger Gästen, gerade mal 5 Namen aus Deutschland / Österreich / Ungarn. Die Gästezahlen nehmen erst ab Juli zu und verteilen sich dann auch auf weitere Länder.
Zu den Gästen gehören auch verschiedene deutsche Militärs (Leutnants), darunter Leutnant Murnau.
Die habsburgische kaiserliche Familie besuchte 1918 die Pension Pietzcker auf dem Felsberg. 18
Über mehrere Monate wohnte an der Felsbergstrasse 15 der Berliner Maler Erich Oswald.15
191919 finden wir zu Beginn des Jahres (Listen 4. April bis 9. Mai 1919) nur deutsche Gäste, neben einzelnen Zivilisten handelt es um etwa 40 Offiziere, in erster Linie in Leutnantsrängen (siehe unten). Mitte Mai sind sie nicht mehr aufgeführt. Die Gäste kommen aber weiterhin mehrheitlich aus Deutschland.
Von Mai bis November finden wir als Langzeitgäste Hr & Fr Generalkonsul v. Stepski mit zwei Kindern und Erzieherin, Mähren.
In der Liste vom 30. Mai 1919 taucht als Neuankunft für dieses Jahr Miss O. Meyrowitz aus den USA auf. Sie ist bereits in früheren und auch in den folgenden Jahren immer wieder zu finden. Olga Meyrowitz soll 1911-1929 in Luzern auf dem Felsberg gelebt haben und wurde nach ihrem Tod auf dem englischen Friedhof in Meggen begraben 20.
Prinzessin Maria di Borbone aus Neapel logierte in der Pension Felsberg vom 23. 8. -15. 9. 1919:21 Viele Personen aus dem europäischen Adel verbrachten Ferien in Luzern. Die Mitglieder von Königshäusern in der Regeln in den grösseren Hotels, der niedere Adel (Barone etc.) auch in Pensionen wie im Felsberg.
192222 beginnt das Jahr gerade mal mit 3 Gästen im Januar, die Zahl nimmt dann aber wieder markant zu. Die Gäste kommen in erster Linie aus England und den USA. Eine grosse Zahl sind unverheiratete Frauen aus England.
Spezielle Gruppen und einzelne Personen
Internierte
Während resp. nach dem ersten Weltkrieg waren ausländische Militärs im Felsberg einquartiert.23 In den Fremdenblättern von 1918 und April/Mai 1919 finden wir eine grössere Anzahl Offiziere (Leutnants etc.), die auf dem Felsberg untergebracht waren. Möglicherweise warteten sie in dieser Zeit auf frei werdende Plätze in den regulären Internierungsorten.24
Vermutlich 1918 wurde im Felsberg eine Internierten-Zahnklinik geführt, auf den 31. Januar 1919 wurde sie aufgelöst resp. disloziert.25
Nicht verwechseln: Zu beachten ist, dass zahlreiche Internierte in der Pension Felsberg in Weggis untergebracht waren.
Es gibt Hinweise, dass auch im Zweiten Weltkrieg Internierte auf dem Felsberg untergebracht wurden: Im Rahmen der Nachrichtensammelstelle 1 «Rigi» wurde auf Initiative von Max Waibel im Sommer 1940 ein kleines Internierungslager eingerichtet, um internierte Flieger unterzubringen. Das Lager wurde später auf den Dietschiberg verlegt, wichtigere Personen direkt im Hotel Schweizerhof untergebracht. 26 Nach dem Verkauf der Pension wurde ein grösseres Internierungslager eingerichtet.
Musiker
Zahlreiche Musik-Pädaggogen stiegen Jahr für Jahr in der Pension ab und gaben den Gästen Unterricht. Das eigene Theater bot Gelegenheit für abendliche Darbietungen, an denen sich die Gäste beteiligten. 27
Friedrich Wilhelm Murnau
Der spätere Stummfilmregisseur Friedrich Wilhelm Murnau landete Ende 1917 in der Schweiz.28 Zunächst in Andermatt interniert, konnte er nach dem Gewinn eines Inszenierungswettbewerbs für das patriotische Schauspiel Marignano von Carl Friedrich Wiegand am Luzerner Theater arbeiten29. Dabei war er Mai bis Oktober 1918 in der Pension Felsberg untergebracht.30
Paul Lasker-Schüler ?
In der gleichen Ausgabe des Fremdenblatts vom 21.8.1918 (siehe oben) findet sich neben Murnau auch ein "Hr. Paul Lasker, Schüler, Charlottenburg". Handelt es sich um Paul Lasker-Schüler (1899-1927), den Sohn der Schriftstellerin Else Lasker-Schüler?
Da er sich in dieser Zeit in der Schweiz aufhielt / versteckte, wäre es gut möglich.31
Cooks Special Train
Ende der 1930-er Jahr scheint man eine Zusammenarbeit mit dem berühmten Reisebüro Thomas Cook gehabt zu haben, das Gruppenreisen mit Sonderzügen organisierte. Den Teilnehmenden verteilte man offenbar Postkarten mit Vordrucken, wie diese 3 Beispiele zeigen, die zwischen 1937-1939 nach Grossbritannien geschickt wurden.
Iris Meyer (später Iris von Roten-Meyer)
In einer kurzen Sequenz erscheint im Film Verliebte Feinde über die Schweizerische Frauenrechtlerin Iris von Roten ein Brief aus dem Jahr 1943 adressiert an Fräulein Iris Meyer, Felsbergstrasse 15, Luzern.
Iris Meyer, Journalistin, war vom 17.7.1943 bis 30.11.1943 an der Felsbergstrasse 15 angemeldet.32 1943 arbeitete sie bei der Luzerner C. J. Bucher AG als Direktionssekretärin und redaktionelle Mitarbeiterin bei der Familienzeitschrift "Heim und Leben".33
«Österreichische Legitimisten»
Ein in Luzern lebender Deutscher, Coiffeur, erhielt im Herbst 1942 den Auftrag, «die österreichischen Legitimisten im "Felsberg" zu beobachten». 34
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- beim Fremdenblatt als hauptsächlicher Inhalt, bei Süd und Nord als Beilage. Zur Geschichte der beiden Publikationen siehe Bossard-Borner, Vom Kulturkampf zur Belle Epoque, S. 194f., sowie Huber, S. Unter Druck, 158f.[↩]
- zu den Herkunftsländern der Touristen für ganz Luzern: Huber, S. 228[↩]
- Fremdenblatt 1870, STALU PA 306/1[↩]
- Fremdenblatt 1880, STALU PA 306/6[↩]
- 15. Juni, 16. September, 25. September etc.[↩]
- Fremdenblatt 1890, STALU PA 306/15[↩]
- Kürzestbeschreibung der Pension Felsberg in: Hermann Alexander Berlepsch: Lucerne, the Lake of the four Cantons and the Gotthard, 1894. [↩]
- Fremdenblatt 1900, STALU PA 306/26[↩]
- Ausgabe vom 30. Juli 1900[↩]
- Süd und Nord, STALU PA 306/104[↩]
- 20. Oktober 1904 und April 1905[↩]
- Fremdenblatt 1900, STALU PA 306/45-46[↩]
- Huber, S. 225[↩]
- Fremdenblatt 1900, STALU PA 306/54[↩]
- Häuserverzeichnis Felsbergstrasse 6, SALU B3.22/B3.92[↩][↩]
- Fremdenblatt 1917, STALU PA 306/56[↩]
- Fremdenblatt 1917, STALU PA 306/57[↩]
- Sprenger, Merk-würdige Frauen II, 90[↩]
- Fremdenblatt 1919, STALU PA 306/58-59[↩]
- aus: Testorelli, Renzo, Der englische Friedhof und die Brandt Kapelle in Meggen. 2016: S. 17?, Seite 72.[↩]
- SALU, EK/Ausländerkartei (Mikrofilm) [↩]
- Fremdenblatt 1917, STALU PA 306/62[↩]
- Dazu konnte bisher allerdings nur wenige konkrete Hinweise gefunden werden. Dabei ist auch in aktuellen Forschungen (Fellmann, Dominik. Stadtgeschichte Luzern 1910-1919: Das Jahrzehnt im historischen Kontext des 20. Jahrhunderts aus Sicht der Stadt Luzern: Masterarbeit / Studienjahrgang SR12. 2017) nicht mehr zu finden.[↩]
- Oder handelte es sich vielleicht gar nicht um Internierte? Wurden Internierte im Fremdenblatt überhaupt aufgeführt?[↩]
- Konzentrationsbefehl No. 2 des Internierten-Regionskommando Zentralschweiz, 25. Januar 1919 (STALU AKT 41/111). Hier wird eine allgemeine Räumung des Felsberg gemäss Befehl vom 23. Januar 1919 erwähnt, das Schreiben ist dort jedoch nicht vorhanden. Die Zahnklinik wird mit identischer Quellenangabe und kaum weitergehenden Informationen auch erwähnt in: Draenert, Marcelin Oliver: Kriegschirurgie und Kriegsorthopädie in der Schweiz zur Zeit des Ersten Weltkrieges, Diss. phil. Heidelberg 2011. Die Unterlagen im Bundesarchiv BAR E27#1000/721#13998* erwähnen im Rahmen eines Prozesses betreffend die 1916 eröffnete Internierten-Zahnklinik in Buochs resp. deren Leiter Theo Odermatt, dass ab November 1917 in Luzern eine Internierten-Zahnklinik geführt worden sei. Ein genauere Ortsangabe fehlt allerdings[↩]
- Braunschweig, Pierre-Théodore: Geheimer Draht nach Berlin: die Nachrichtenlinie Masson-Schellenberg und der schweizerische Nachrichtendienst im Zweiten Weltkrieg. Zürich, 31990, Seite 117. Freundlicher Hinweis von R. Bochsler, 2.5.2019. Von Ihr auch die Transkription aus dem Tätigkeitsbericht von Waibel, im BAR E27#1000/721#14850*: "Bald machten wir die Erfahrung, dass es zweckmässig war, die Einvernahme über eine längere Zeitspanne zu erstrecken, sodass die Leute in Ruhe ihr Wissen, das sie uns fast ausnahmslos gerne zur Verfügung stellten, überdenken konnten, um die Leute während der Einvernahme-Perioden in jeder Beziehung unter Kontrolle zu haben und insbesondere auch um sie psychologisch zu beeinflussen. Mit Blick auf die zu machenden Aussagen schafften wir ein besonderes kleines Internierungslager in Luzern. Das Lager befand sich zuerst im "Felsberg", wo wir im Sommer 1940 die internierten Flieger unterbrachten. Später vergrösserten wir das Lager und verlegten es auf den Dietschiberg. Die Aufenthaltsdauer im Lager war sehr unterschiedlich und schwankte zwischen einigen Tagen und mehreren Wochen. Offiziere und Leute, von denen wir uns besonders wertvolle Nachrichten versprachen, Dank ihrer gehobenen Stellung, die sie in Deutschland versahen, brachten wir in besonders beachten Räumen im Westflügel des Schweizerhofes unter."[↩]
- Felsberg-Reminiszenzen[↩]
- Landung auf der Fussballmatte. In: TagesWoche 2.12.2014, https://tageswoche.ch/gesellschaft/landung-auf-der-fussballmatte/ (zuletzt besucht 20.1.2018). [↩]
- Das Stück wurde mehrheitlich von deutschen Internierten gespielt und 2 Mal aufgeführt, vgl. die Kritik im Luzerner Tagblatt vom 3. Juni 1918. Freundlicher Hinweis vom Stadtarchiv Luzern.[↩]
- Im Luzerner Fremdenblatt erwähnt 15. Mai bis 23. Oktober 1918 (STALU PA 306/57), möglicherweise dauerte sein Aufenthalt länger[↩]
- https://www.srf.ch/kultur/literatur/150-geburtstag-wie-else-lasker-schueler-ihren-sohn-in-der-schweiz-versteckte[↩]
- Häuserverzeichnis, Felsbergstrasse 15, SALU B3.22/B3.92[↩]
- Meichtry, Wilfried. Verliebte Feinde: Iris und Peter von Roten. München, 2012, Seite 228[↩]
- Erwähnt auf der Liste «Von Generalkonsul Speiser erwähnte deutsche Häftlingen», im Dossier «Austausch deutscher Spione gegen in Deutschland verhaftete Schweizer. Allgemeines», Bundesarchiv E2001E#1967/113#1843*[↩]